Oktober 30, 2017 christoph

Verkannte Wahrheiten -4-

Ein Besuch bei dem Tierarzt (des Vertrauens)

Ein Besuch beim Tierarzt ist für Hunde meistens eine ungewohnte Situation, die nicht selten sehr negativ verknüpft ist oder bei dem Hund massiven Stress auslöst. Dieser Stress kann daher rühren, dass dort viele andere Tiere (Gerüche) verweilen, der Hund Kontakt zu anderen Tieren haben möchte oder diesen bewusst nicht möchte und die Halter dies nicht richtig deuten, der Hund Schmerzen hat oder der Hund sich an die letzte Assoziation mit dem Geruch der Tierarztpraxis erinnert und Angst empfindet. Wenn ich meinen Hund fragen würde, wie er den Tierarztbesuch findet, würde er mir wahrscheinlich so antworten, wie nebenan aufgezeigt.

Stellen wir uns einmal einen typischen Tierarztbesuch in einem typischen Wartezimmer vor: (Ironie und Sarkasmus sind bewusst eingebaut worden)

Die Stühle im Wartezimmer stehen in einer Hufeisenform, sodass auch jeder Hund fixierten Blickkontakt aufnehmen kann. Die Stühle stehen nebeneinander in vierer oder fünfer Gondeln. Mein Hund tritt mit mir an die Anmeldung und meldet sich dort an. Danach werde ich häufig gebeten,  noch im Wartezimmer Platz zunehmen. Mein Hund zieht an der Leine in Richtung Ausgang. Heute entscheide ich mich einmal im Wartezimmer Platz zunehmen und nicht wieder zurück zum Auto zugehen, um dort zu warten. Ich kämpfe mich also an drei Haltern mit ihren Hunden und einer Frau mit einer Katze vorbei. Mein Stresspegel steigt, weil ich jeden Kontaktgesuch meines Hundes zu unterbinden versuche und das stellt für mich bei der Größe des Raumes ein großes Problem dar.
Endlich angekommen, mein Platz ist so beengt, dass ich meinen Hund zwischen meine Stuhlbeine lege.
Mein Hund ist von seinem Gefühlslevel her sehr angespannt und erregt. Immer wieder unterbricht er seine Platzablage und steht auf, um Kontakt zu anderen Hunden oder zu mir zu suchen. Ich bin genervt und mein Hund versteht die Welt nicht mehr. Das Wartezimmer wird leerer. Immer mehr Hunde und ihre Halter gehen und kommen aber nicht mehr wieder. Mein Hund schaut immer öfter zu dem Türrahmen. Er beginnt zu winseln. Ich lege meine Hand auf meinen Hund und sage ihm, dass alles in Ordnung sei und wir gleich dran sind. Natürlich versteht mich mein Hund perfekt und weiß genau, was ich da gerade gesagt habe. Dann kommt eine Tierarzthelferin und ruft freundlich meinen Namen. „Jetzt“ denkt sich mein Hund und zieht am Türrahmen vorbei in Richtung Ausgang. Doch leider will Herrchen heute noch nicht gehen. Mein sonst vorstürmender Hund fällt auf einmal hinter mich und lässt sich nur schwer locken und motivieren in das Behandlungszimmer einzutreten.
Doch warum, denke ich mir? Bisher wurde ihm doch mit den vielen Spritzen und Untersuchungen immer geholfen, also rede ich meinem Hund fleißig zu, dass er sich nicht so anstellen solle und ziehe den Hund in das Wartezimmer hinein. Ich habe dabei ganz vergessen, dass der Druck, den ich hier aufbaue eher kontraproduktiv ist. Ich stehe also im Sprechzimmer mit meinem Hund, der die Rute einklemmt. Dabei streichle ich ihn noch und sage ihm, dass der Doktor ihm gleich helfen wird. Natürlich habe ich hier auch vergessen, dass ich durch das Handauflegen und das Zureden die Angst meines Hundes ggf. bestätige, aber ich bin auch nur ein Mensch, der Angst und Sorge hat, die mein Hund allerdings schon vor 20 Minuten gerochen hat und die Situation daher noch schlimmer findet, da ich nicht mehr sein sicherer Hafen sein kann. Der Doktor tritt ein und Doktor und Sprechstundenhilfe heben meinen Hund erst einmal auf den Behandlungstisch. Dann die Leiendiagnose meinerseits, was mein Hund wohl haben könnte.
Der Doktor beginnt seine Untersuchung mit der Frage, ob der Hund „lieb“ sei. Ich nicke.
Der Tierarzt beginnt erst einmal wie wild an meinem Hund herum zu fummeln. Die Rute meines Hundes ist dabei so weit unter den Bauch geklemmt, dass ich schon Sorge habe, dass er sie auf dem Weg ins Wartezimmer verloren hat. Er nennt mir ein paar Symptome und fragt mich ein paar Dinge dann ist er mit der Diagnostik durch und nennt mir seinen Befund.
Mein Hund benötigt dringend ein Aufbaupräparat und noch bevor ich etwas dazu fragen kann, hat die Sprechstundenhilfe schon alles vorbereitet und meinem Hund wird eine Spritze verabreicht. Ob ich das wollte spielt hier keine große Rolle. Dabei wird mir klar, wie sich das Honorar des Tierarztes zusammensetzt und ich sehe wieder nur die Zahlen, als er mir von einem weiteren Termin und einem Langzeit-Antibiotikum erzählt.
Danach bekommt mein Hund ein paar Leckerchen vor das Gesicht gehalten, die er nicht aufnehmen möchte. Komisch denkt sich der Tierarzt, was für ein verwöhntes Hündchen.

Der nächste Patient bitte.

Mein Hund springt quasi vom Behandlungstisch während die Sprechstundenhilfe schnell die Daten des Tierarztes in den Computer eingibt. Mein Hund zieht mich massiv zum Ausgang und ich sage der Sprechstundenhilfe an der Anmeldung noch kurz, dass ich gleich zum Bezahlen wieder rein kommen werde.
Am Auto merke ich erst, wie wenig ich für mein eigenes Tier entscheiden durfte und wie wenig ich auf die Signale meines Tieres geachtet habe und wie viel ich falsch gemacht habe. Wir waren beide in einer Ausnahmesituation und ich glänzte hier nun wirklich nicht mit Führungsqualitäten oder vermenschliche ich das Problem nur wieder? (Dieser Bericht ist aus vier Erlebnisberichten zugesammengefasst worden)

Es muss doch auch anders gehen, oder?

Ohja, das geht auch anders. Ein Tierarztbesuch kann wunderbar vorbereitet werden und wenige wissen, dass Tierärzte meist auch Ersttermine anbieten, bei denen das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund steht. Der Hund kann ohne Schmerz und Leid den Tierarzt kennenlernen und der Tierarzt unternimmt eine allgemeine Erstuntersuchung, die im Vorfeld gut vorbereitet worden ist.

Bereits in meinem Welpentraining ist es mir sehr wichtig, dass der Hund bereits als Welpe lernt, dass es eine Art Normalität ist, wenn der Mensch den Hund an für ihn unangenehmen Stellen berührt, wie Fang, Augen, Pfoten, Bauchunterseite etc.
Auch ein Maulkorbtraining gehört für mich wie selbstverständlich dazu.

Meine Erfahrung zeigt, dass viele Tierärzte sehr offen dafür sind, wenn man sich als Halter bereits im Welpenalter ohne Anliegen einmal dem Tierarzt vorstellen möchte. So kann der Hund den Besuch noch mit einer zweiten und somit positiven Assoziation verknüpfen. Meist ist dieser Besuch auch kostenfrei, aber am Besten besprechen Sie dies einmal mit Ihrem Tierarzt.

Sollten Sie allerdings das Gefühl von eigener Unsicherheit und Ohnmacht erleben und keine Mitbestimmungsrechte beim Behandlungsplan Ihres Hundes haben, kann ich Ihnen nur sehr empfehlen den Tierarzt zu wechseln. Ein Tierarzt der mit Ihnen nicht die Verabreichung von Medikation o.ä. bespricht und hier nicht um Ihre Zustimmung bittet, verletzt damit den Körper Ihres Tieres. Der Tierarzt sollte nicht nur Sie, sondern auch Ihren Hund verstehen können, denn nur so wächst Vertrauen und das ist in dieser Hinsicht immens wichtig.

Hören Sie gut zu und fragen Sie nach der Notwendigkeit von gewissen Präparaten und deren Nebenwirkungen. Nicht alles an Chemie gehört in einen Hundekörper. Manches jedoch ist überlebenswichtig und hat seine finanzielle Berechtigung.

 

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